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Kaum zu glauben, dass unser Urlaub erst zu einem Drittel vergangen ist – wir erleben hier unglaublich viel in so kurzer Zeit. Heute brechen wir um kurz vor neun auf, um Michael und Joseph bei „Chapel“, der Schulandacht, zu besuchen. Die beiden besuchen die Crowley’s Ridge Academy, eine kirchliche Privatschule im 55 Kilometer entfernten Paragould, nach hiesigem Verständnis also gleich um die Ecke. Michaels fünfte Klasse ist heute für die Andacht zuständig, jeder Schüler trägt eine Kleinigkeit auf der Bühne des großen Auditoriums, das wie ein älterer Kinosaal ausgestattet ist, vor. Am Ende spricht der Principal, der Schulleiter, ein Gebet, nicht nur für kranke Kollegen und Schüler sowie das generelle Wohlergehen seiner Schützlinge, sondern auch für uns Besucher, er erbittet für uns einen schönen Urlaub und eine gesunde Heimreise. Während des allgemeinen Teils mit Ankündigungen für den Tag durfte bzw. musste Michael uns schon als seine Besucher vorstellen, und wir wurden von der „Schulfamilie“, wie es im deutschen Pädagogenjargon heißt, herzlich begrüßt.
Joseph schleppt Leo gleich mit in sein Klassenzimmer, um ihm die Kaulquappen zu zeigen, die auf dem Pult in einem Aquarium herumflitzen. Dann verlassen wir die Schule wieder und fahren die 55 Kilometer zurück nach Piggott – Frankie muss Heu schneiden und TeJuana bringt uns zum Barber ihres Vertrauens, der auch schon Opa Buddy immer rasiert hat. Ich hatte um einen Besuch bei einem typisch amerikanischen Herrenfriseur gebeten, da ich mich immer mehr in Sasquatch, den Waldmenschen, verwandelt habe, nachdem mein elektrischer Rasierer durch unsachgemäßes Packen meinerseits im Koffer eingeschaltet wurde und seine komplette Ladung wohl schon über Kanada verbraucht haben muss. Das sperrige Ladegerät hatte ich natürlich zuhause gelassen. Rasieren und auch ein Haarschnitt waren also wirklich kein Luxus.
Ab ins Auto, 55 Kilometer nach Paragould fahren, denn nachmittags darf Leo mit Joseph in den Unterricht, der in der Praxis aus Cookies und Schokomilch verputzen, Youtube-Bibelfilmchen über Adam und Eva angucken (nein, die Darwin-Thematik wurde weder angesprochen noch verteufelt, wir haben auch nicht gefragt) und einer Pep Rallye besteht. Pep Rallies muss man erlebt haben, um es zu glauben: Die Volleyball-Mädchenteams der Seniors = Abschlussklasse und der Juniors spielen heute abend, und schon nachmittags werden die Fans von männlichen Cheerleadern kräftig angeheizt. Ein bulliger, kahlgeschorener, junger Sportlehrer betritt die Bühne, heizt kräftig mit ein, bevor er bekennt, heute nacht geträumt zu haben, sein Team habe das bevorstehende Match verloren. Strafe muss sein: Die Cheerleader bitten alle Anwesenden, ihre Handies herauszuholen und mittels Taschenrechner eine längere Aufgabe mit einer anfangs zufällig gewählten Zahl zu rechnen (der Sportlehrer wählt übrigens als Zufallszahl die 666 – und das an einer christlichen Schule, ein bisschen Provokation muss und darf wohl auch sein) – am Ende kommt natürlich bei allen dasselbe Ergebnis raus, und die Volleyballerinnen dürfen ihrem Trainer mit Sprühsahne gefüllte Pappteller ins Gesicht klatschen. Die Grundschüler johlen, die Halle flippt aus. Fünf Minuten nach dem Glücksritual leert sich das Auditorium wieder, und Leo darf nun Michael begleiten und den Gecko in dessen Klasse bewundern.
Nach dem Unterricht schnell weiter, wenn auch mit Zwischenstopp [Doppel-P, igitt, aber das geht mir bei Anke nicht anders durch] bei „Sonic“, dem „original drive-in“, wo das Essen von Kellnerinnen auf Rollschuhen zum Auto gebracht wird, das vor dem Haus parkt; die Restaurants haben nur drive-in oder drive-thru (sic), aber keine Sitzplätze oder Theke im Haus. Kennt man schon aus dem Vorspann der ‚Familie Feuerstein‘.
Am Ende werden wir fotografiert, die Story soll hier in der Zeitung landen. Wer billig an seine 15 Minuten Ruhm kommen will: Hier klappt das recht schnell. (Anke war schon 1992 in der Piggott Times auf der Titelseite.)
Auf dem Heimweg setzen wir die Jungs im Elternhaus ab, und Leo darf noch kurz mit dem sehr enthusiastischen gut einjährigen Labrador (oder was auch immer, schon recht groß, schwarz und mit enormem Bewegungsdrang) spielen. Er heißt „Duce“, das bedeutet angeblich „zwei“ auf französisch – aha.
55 Kilometer später (ihr rechnet noch mit?) hat Frankie das gestrige Abendessen noch ein wenig aufgepeppt, der Braten schmeckt heute sogar noch besser als gestern. Zum Dessert gibt’s hausgemachten (wie könnte es anders sein) Pfirsich-Pie mit Vanilleeis, eine Delikatesse.
„Zuhause“ testen wir noch unser neues Mückenspray „Repel“ (does what it says on the can, selbst der Esel zuckt zurück), um die Sterne genießen und Jasper streicheln zu können.