Quer durch Manhattan

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Anke und Leo schlafen noch; prima, so kann ich Blümchen für den Hochzeitstag organisieren und Euroscheine wechseln (250 Euro geben nach Abzug von Gebühren, Steuern und wahrscheinlich Schutzgeld 258 Dollar, seufz – ab jetzt zahle ich, wo es geht, mit Kreditkarte). Dann wird die Zeit fast wieder knapp, deshalb nehmen wir ein Taxi zum Times Square. Taxis sind tatsächlich günstig in New York.
Wir haben schon seit Monaten Tickets für die „Gazillion Bubble Show“ (die ich zu TeJuana schicken ließ, die sich schon sehr darüber gefreut hatte, die Arme). Die Show ist eine Sensation: Eine gute Stunde lang unterhält uns der Meister der Seifenlauge mit den aberwitzigsten Kunststücken. Besonders gut gefällt mir, wie er eine mit Bühnennebel gefüllten Blase mit dem Finger ansticht und so eine Qualle zaubert, die dann an die Decke saust und dabei zusammenschrumpft. Leo ist begeistert, als große Ventilatoren angeworfen und der Zuschauerraum flächig mit Blasen beschickt wird. Das Finale ist der Hammer: Laser strahlen aus dem Boden. Deni Yang schließt seine Hand darum – und hebt sie scheinbar auf! Dann sticht er sie, begleitet von satten Basstönen, in den Boden zurück, zieht sie zu Fächern auf, spielt Harfe darauf, unglaublich.

Dann haben wir Appetit – bis auf einen Becher mit frischem Fruchtsalat haben wir nichts gefrühstückt. Wir gehen ins Stardust Diner, das im Stil der 60er Jahre eingerichtet ist. Das Essen ist gut, die wahre Sensation sind aber die Bedienungen: Reihum packt sich eine/r das Mikrofon und singt broadwayreif einen Song – ob Rock, Soul oder Musical, alles ist dabei. Dazu klettern sie sehr zu Leos Freude auf die breite Rückenlehne der Sitzbank in der Mitte. Only in New York.

Gut gesättigt versuche ich die Wochenkarten für Bus und Subway zu kaufen (32 Dollar für Erwachsene, Kinder bis 44 Zoll Körpergröße frei). Am Automaten kapiere ich nicht, welchen Knopf ich drücken soll. Die schwarze Dame an der Info behandelt mich mit waschechtem New Yorker Charme: „Waddaya mean ya can’t find the button? Press unlimited ride!“ OK, OK!
Die Subways verkehren im Wesentlichen in Nord-Süd-Richtung; wer von einem Fluss zum anderen will, braucht einen Bus, der praktischerweise die Nummer der Straße trägt, in der er fährt – stimmt zumindest immer für eine Fahrtrichtung, wegen der Einbahnstraßen. Die Busse hängen im apokalyptisch verstopften Manhattan genauso fest wie alle anderen Fahrzeuge (nur mit Blaulicht geht’s etwas schneller), Busfahren rentiert sich also nicht, wenn man’s eilig hat, dann läuft man besser. Wenn man die Füße aber ausruhen und mal wieder klimatisierte Luft atmen möchte, ist ein Bus nicht übel. An allen Haltestellen gibt es QR-Codes, über die man erfährt, wo der nächste Bus gerade ist.
Wir kommen beim Intrepid Sea, Air and Space Museum an. Intrepid ist der Name eines Flugzeugträgers, der von 1943 bis 1978 (?) im Dienst war. Das Museum hat es wirklich in sich: Wir beginnen mit der Begehung eines U-Bootes, das in den 50er und 60er Jahren die UdSSR mit Atomraketen in Schach gehalten hat, um dann das Flugdeck der Intrepid zu besichtigen. Dort ist nicht nur eine ganze Batterie von Navy-Flugzeugen zu bestaunen, sondern auch mein Lieblingsmilitärflugzeug, die Blackbird (muss man bei Wikipedia und Clarkson nachlesen!).
Hinterhalb des Kommadoturms, der auch besichtigt werden kann, dann eine große Halle, in der tatsächlich ein komplettes Space Shuttle, die Enterprise, geparkt ist. Euch sagt der Name nichts? Kein Wunder, die Enterprise war nie im Weltraum; sie war ein Versuchsshuttle, vor allem um Transport auf einer 747 und Landung zu testen. Äußerlich unterscheidet sie sich aber nicht von ihren fünf Schwesterschiffen.
Wir bleiben, bis uns die Security um halb sechs rausschmeißt, dann fahren wir wieder auf der 50. Straße zurück bis zum Rockefeller Center, wo sich ein Lego Store befindet. Zielsicher picke ich ein Set heraus, mit dem man die Freiheitsstatue in nur 39 Steinen nachbilden kann – das Tütchen wird exklusiv hier verkauft. Ein netter Touch ist, dass Lego das Rockefeller Center, in dem sich der Shop befindet, als Modell angeboten hat – steht neben diversen anderen New Yorker Legobauten bei uns zuhause 🙂
Vor der St. Patrick’s Cathedral nebenan genehmigt sich Leo einen Hot Dog ($3) und ein Eis ($4); die Preise scheinen auch auf die katholische Kirche übergegriffen zu haben; für einen Rundgang wird eine Spende von 10 Dollar „empfohlen“, die üblichen Votiv-Teelichter, sonst ca. 50 Cent, sollen hier zwei Dollar kosten. Man fragt sich, wie teuer ein leise gesprochenes Vater unser hier wohl kommt.
Für das Abendessen müssen wir uns schick umziehen, nur wo, ohne Aufsehen zu erregen? Genau, in einer Buchhandlung. Bei Barnes & Noble gibt es großzügige „Bathrooms“ (das Wort „toilet“ gilt landesweit als unfein, und mit „loo“ sollte man nicht mal in Bahnhofskneipen daherkommen), sogar mit Wickeltisch in der Kabine, was praktisch ist, wenn man sich komplett umzieht und Rucksack, Kameraweste, Jackett, Krawatte etc. ablegen muss.
Zum Abendessen suchen wir das Marriott Hotel am Times Square auf und fahren in den 48. Stock ins „The View“, dem einzigen Dreh-Restaurant in New York. Anke und ihre Jungs sind total begeistert: Während Manhattan gemächlich unter uns vorbeizieht, genießen wir Speisen und Getränke vom Feinsten – man begeht ja nur einmal den zehnten Hochzeitstag, da darf man sich schon mal was genehmigen.
Auf dem Heimweg erleben wir den Times Square in voller Breite; Stefan wird beinahe von einer Truppe lediglich bodygepainteter, recht üppiger Latinas zum Foto mitgerissen; diverse Superhelden und Straßenkünstler (teils gruselig: Ein mit Maske und Windel als Baby verkleideter Kerl mit Rassel und Riesenschnuller, „Dollars make baby dance!“) sorgen für gewaltige Menschentrauben auf dem Weg zum Bus. Leo steht mit offenem Mund staunend da. Erst um halb zwölf fallen wir ziemlich geschafft, in Leos Fall überdreht, in die Kissen (oder schreiben noch eine halbe Stunde am Blog).

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