Cruisin‘ up town

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Heute gehen wir es langsam an: Erst mal gemütlich ausschlafen, Kaffee kochen, Wäsche waschen und trocknen, Jasper streicheln, reiten und tränken. Anke entdeckt einen „Cropduster“ am Himmel, und wir Jungs machen uns auf die Suche danach. Das Flugzeug düngt gerade ein Bohnenfeld, wir können tolle Fotos machen. Danach stromern wir durch Greenway und Piggott. Plötzlich ist mehr als eine Stunde vergangen, und wir sind über 60 Kilometer herumgefahren – die Weite der Landschaft und das gemächliche Tempo lassen jede Relation zu Zeit und Raum dahinschmelzen.
Stippvisite bei Frankie, wir bekommen den Tipp, im ca. 20 Meilen entfernten Kennett/Missouri gäbe es einen Taco Bell, nach dem es Anke gelüstet und den Stefan noch nicht kennt, in dem wir sehr leckeres Tex-Mex-Futter schlemmen, sowie einen Walmart, einen gigantischen Allround-Supermarkt nicht nur für Lebensmittel (dort wird auch Bier verkauft, das hiesige Clay County dagegen ist „dry“), sondern auch Kleidung, ein Baumarkt- und Autozubehörsortiment, natürlich auch Waffen, zudem Kleidung und Elektronik. Nachdem die Suche nach einem gebrauchten iPod für Leo bislang erfolglos war, können wir einem Restposten-Sonderangebot nicht widerstehen, und Leo kauft sich von seinem Taschengeld einen brandneuen hellblauen iPod Nano Touch. Dem Verkäufer verpassen wir mit unserer Diskussion der Kaufentscheidung sehr angenehme „Flashbacks“ an seine Zeit auf dem Militärstützpunkt Frankfurt-Hahn. Wir haben hier schon recht viele Leute getroffen, die uns zumindest ansatzweise verstanden haben; die meisten haben Militärdienst in Europa hinter sich (Zitat des Priesters gestern: „The kids talked kraut like a field of cabbage!“), einige hatten deutsche Elternteile.
Auf dem Heimweg überschlage ich unser Budget und beschließe, Euroscheine zu wechseln. Die Dame in einer recht großen Bankfiliale schaut mich an, als hätte ich ihr einen toten Hering auf den Tresen gelegt – Euros hatte sie noch nie in Händen! „Where did you get those?“ – „At home!?!“ – „Are those some kind of travellers‘ cheques?“ – „No, ma’am, it’s just the biggest currency in the world!“ [OK, das habe ich mich so dann doch nicht zu sagen getraut, man ist ja Gast- aber die Frage war O-Ton!]). Der Manager schaut vorbei und versucht zu helfen, aber die beiden wüssten nicht einmal, wo sie die Euros in der Kasse unterbringen sollten. Er geht telefonieren und meint dann mit einem entschuldigenden Händedruck, es täte ihnen wirklich furchtbar leid, aber es gäbe hier wohl keine Bank in der Region, die Euros wechseln würde. Dann fragt er tatsächlich: „Did you fly into the US or did you drive?“ Ich möchte ihm zu seinen Gunsten unterstellen, er meinte vielleicht von Kanada aus über die Grenze. Sein Tipp: Eine Bank am nächstgelegenen internationalen Flughafen, also Memphis, könne vielleicht helfen. Ich finde die Episode über alle Maßen amüsant und habe alle Hände voll damit zu tun, nicht laut zu lachen. Ich bedanke mich aufs Herzlichste bei den besorgten Bankern und versichere, ich habe eine Kreditkarte, die man hierzulande kennt, es sei alles kein Problem, ich würde Bargeld nur bevorzugen.
Heute abend kocht TeJuana für uns ein gigantisches Dinner, wir sollen bloß nichts zu abend essen, warnt sie uns per Handy. Frankie schneit bei uns herein, als wir gerade die Einkäufe ausladen; er hat einen „Combine“ = Mähdrescher im Milo-Feld (wird hier ausgesprochen wie Marlowe, eine maisähnliche Hirseart mit viel kleineren Körnern) neben seinem Haus gesehen und den Fahrer gebeten, Leo eine Runde mitzunehmen. Ich lade derweil Musik auf den iPod – neue Geräte üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus, deshalb fahren Leo und Anke alleine auf dem Mähdrescher von Joel und Kent aus der Nachbarschaft mit. Leo darf die riesige Maschine sogar selbst steuern. Anschließend darf er einen Sack seiner eigenen Ernte mitnehmen, den er am Abend mit Frankie zu Popcorn verarbeiten wird.
Bald sitzen Frankie, TeJuana und wir drei bei uns, trinken ein Bierchen und unterhalten uns über Gott und die Welt. TeJuana will das Essen fertigmachen, wir vertreiben uns derweil die Zeit mit Gokart-Fahren, was Leo immer besser beherrscht. Es macht ihm unglaublichen Spass, uns auf den Beifahrersitz zu packen und uns und den Pferden mit möglichst waghalsigen Manövern Angst einzujagen. Nach einem kurzen Trip zu JoNell und Valeries altem Haus gibt es Bauernbraten nach Arkansas Style, der dem bayerischen aber sehr ähnlich ist.
Ich gehe am späten Abend nochmal raus und fotografiere (trotz Halbmond sieht man die Milchstraße!), wobei die Moskitos ihr Möglichstes versuchen, mich komplett leerzusaugen.

One Reply to “Cruisin‘ up town”

  1. Hihi…Für den Heimweg nehmt doch den Eurotunnel: Vielleicht könnt Ihr da mit Euros zahlen! 😉 Unglaublich lustig, Deine Schilderungen! Beim fotografieren bin ich aber nicht sicher, ob angesichts der Mücken Neid angesagt ist… Nächstes Wochenende solls hier bei klarem Himmel nen tollen Mond geben, drück mir die Daumen! LG!

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