Really Uptown – Central Park und Harlem

Der Big Apple treibt mich zwei Stunden vor Frau und Kind aus dem Bett, ich plane unseren bisher noch freien Tag, der unter dem Motto „Mal was anderes“ stehen soll. Trotzdem beginnen wir mit einem Must, nämlich dem Central Park. Baedeker empfiehlt einen Rundgang in etwa der Mitte der gewaltigen Grünfläche; den Park zu Fuß komplett zu begehen ist völlig illusorisch, gerade noch mit einem Sechsjährigen. Also fahren wir mit der Subway zur 72. Straße Westside und wandern durch das überraschend hügelige Terrain. Unterhalb des Central Parks wurde Manhattan quasi flächig eingeebnet, selbst kurze Anstiege überraschen hier. Die Tour beginnt in den „Strawberry Fields“, die Yoko Ono zusammen mit einem geschmackvollen Mosaik („Imagine“) gespendet hat; John Lennon und sie wohnten gleich um die Ecke.
Hinter dem Bethesda Fountain wartet eine Truppe schwarzer Turner („here you see something special: A black guy running very quickly without police following him“) mit einer guten Show auf; die Jungs antworten immer wieder synchron im Chor, wie üblich werden die Leute durch den Kakao gezogen. Höhepunkt ist ein Saltosprung über den Rücken von etwa sechs „Freiwilligen“. Mein Foto gelingt so gut, dass die Truppe  es unbedingt haben möchte, ich bekomme ihre Visitenkarte.

Weiter zu den Statuen von Hans Christian Andersen und Alice im Wunderland. Dann quer zurück zur Westside, da taucht plötzlich ein Aussichtsturm auf, den Leo schon aus dem Schlümpfe-Film als Gargamels Unterschlupf kennt. Tatsächlich heißt das Bauwerk Belvedere, kann kostenlos besichtigt werden und bietet tolle Ausblicke über den Park.

Continue reading „Really Uptown – Central Park und Harlem“

Uptown und Downtown

Heute müssen wir einfach mal ausschlafen, um wieder fit zu werden. Kurz vor 11 zum Frühstück bei John’s Café um die Ecke, wo es Leo Omelette gibt, mit Räucherlachs und Bratkartoffeln, sehr lecker. Leo verputzt die gute Häflte einer großzügigen Portion und legt noch einen Marmeladentoast nach.

Dann werfen wir unseren ursprünglichen Plan, den Süden Manhattans zu erkunden, über den Haufen; wir haben heute Lust auf Kultur und fahren kurzentschlossen uptown ins Metropolitan Museum of Art, das an der östlichen Seite des Central Parks liegt. Die schiere Größe beeindruckt sehr, und die Exponate noch mehr. Hier findet sich ein buntes Sammelsurium aus antiken Gegenständen, wie z. B. ein kompletter ägyptischer Tempel, die komplette Fassade eines historischen Gebäudes New Yorks, dazu Kunstwerke ersten Ranges aus allen Erdteilen und Epochen. Wir konzentrieren uns vor allem auf amerikanische Kunst, denn niederländische Meister können wir in Europa auch sehen; dennoch schauen wir bei herausragenden Werken wie z. B. Dalís schwebendem Christus vorbei. Kunst mit Leo macht richtig Spaß, merken wir erneut. Ihn dagegen freut es, dass es in der Cafeteria ganz frisch zubereitetes Sushi gibt, und dann auch noch für Kinder in einem Yellow Cab aus Pappe verpackt, mit Pfirsich zur Nachspeise, ein Traum!

Continue reading „Uptown und Downtown“

Quer durch Manhattan

Anke und Leo schlafen noch; prima, so kann ich Blümchen für den Hochzeitstag organisieren und Euroscheine wechseln (250 Euro geben nach Abzug von Gebühren, Steuern und wahrscheinlich Schutzgeld 258 Dollar, seufz – ab jetzt zahle ich, wo es geht, mit Kreditkarte). Dann wird die Zeit fast wieder knapp, deshalb nehmen wir ein Taxi zum Times Square. Taxis sind tatsächlich günstig in New York.
Wir haben schon seit Monaten Tickets für die „Gazillion Bubble Show“ (die ich zu TeJuana schicken ließ, die sich schon sehr darüber gefreut hatte, die Arme). Die Show ist eine Sensation: Eine gute Stunde lang unterhält uns der Meister der Seifenlauge mit den aberwitzigsten Kunststücken. Besonders gut gefällt mir, wie er eine mit Bühnennebel gefüllten Blase mit dem Finger ansticht und so eine Qualle zaubert, die dann an die Decke saust und dabei zusammenschrumpft. Leo ist begeistert, als große Ventilatoren angeworfen und der Zuschauerraum flächig mit Blasen beschickt wird. Das Finale ist der Hammer: Laser strahlen aus dem Boden. Deni Yang schließt seine Hand darum – und hebt sie scheinbar auf! Dann sticht er sie, begleitet von satten Basstönen, in den Boden zurück, zieht sie zu Fächern auf, spielt Harfe darauf, unglaublich.

Dann haben wir Appetit – bis auf einen Becher mit frischem Fruchtsalat haben wir nichts gefrühstückt. Wir gehen ins Stardust Diner, das im Stil der 60er Jahre eingerichtet ist. Das Essen ist gut, die wahre Sensation sind aber die Bedienungen: Reihum packt sich eine/r das Mikrofon und singt broadwayreif einen Song – ob Rock, Soul oder Musical, alles ist dabei. Dazu klettern sie sehr zu Leos Freude auf die breite Rückenlehne der Sitzbank in der Mitte. Only in New York.

Continue reading „Quer durch Manhattan“

An der Ostküste

Sind gut gelandet. Den Hoteltransfer hätten wir uns kostenmäßig aber sparen können, das Taxi würde sogar ein klein wenig billiger kommen. Zudem verlangt der Fahrer acht Dollar Maut für den Tunnel zwischen Queens und Manhattan von mir, das ist im Transferpreis von 40 Dollar nicht inbegriffen (stimmt, steht so in den AGB, er hat aber eine Dauerkarte, mit der die Fahrt nur 5,54 kostet – der Drecksack). Keine 30 Sekunden später die nächste Abzocke: Ein Hotelangestellter bietet mir an, die Koffer von der Straße in die Rezeption zu schaffen. Ich gehe davon aus, dass dafür ein Dollar Trinkgeld fällig ist, den ich gerne berappe. Der Bursche hat circa 20 Sekunden für mich gearbeitet und weist mich höflich, aber bestimmt darauf hin, dass der übliche Tarif zwei Dollar sind – pro Koffer. Nota bene: Für einen Weg von circa 25 Metern. Mein Haarschnitt in Piggott hat weniger gekostet! Nachdem ich meinen Zimmerschlüssel bekommen habe, will der Rezeptionist wieder einen Koffer“träger“ holen, ich lehne dankend, aber sehr bestimmt ab, auch wenn wir den Wagen, auf dem sich unser Gepäck nun befindet, nicht benutzen dürfen und den ganzen Mist nun mit der Hand zum Lift schleppen müssen. Wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen, kein ausländisches Kuriosum in Begleitung von Einheimischen im Midwest zu sein, sondern ganz normale Touristen, drei unter zigtausenden im Big Apple, und damit Freiwild für solche Zecken.

Doch beim Betreten unseres Zimmers im 37. Stock ist der Ärger gleich wieder verflogen; die beiläufige Bemerkung, wir würden morgen unseren 10. Hochzeitstag feiern hat offenbar Wirkung gezeigt: Unser Zimmer blickt nach Süden, wir sehen den East River, das UN-Gebäude, den neuen Tower One, das Empire State und das Chrysler Building – schöner geht es kaum:
image

Continue reading „An der Ostküste“

Flug 1 und Zwischenlandung in Chicago

Die in Brasilien hergestellte Embraer 145 ist ein winziger Jet, die Trolleys passen keinesfalls in die Gepäckfächer. Wir behalten einen, denn Leo braucht den Fußraum nicht, und vertrauen die anderen beiden dem freundlichen Baggage Handler an. Während des Flugs sehen wir über St Louis den Missouri River, der hier in den Mississippi mündet. Leider können wir den Gateway Arch im Dunst nicht erkennen, OSMand verrät mir, dass wir mit gut 700 km/h zu weit westlich an der Stadt vorbeifliegen. Auch ein Blick auf das Joliet State Correctional Center (Blues Brothers!) bleibt mir leider verwehrt. Dennoch macht Sightseeing aus der Luft per Landkarte viel Spaß. Als kleiner Bonus weht der Wind auf den See hinaus, sodass der Pilot den Landeanflug mit einer eleganten Schleife über den Lake Michigan fliegen muss. Wir erkennen viele der Sehenswürdigkeiten, die wir uns vor zwei Wochen erlaufen haben.
Auch die Landung ist ein Genuss; auf dem riesigen Fluhafen landen wir parallel mit einer anderen Maschine, auf der Runway zwischen uns startet gerade eine 747. Tas Taxiing zum Gate stellt Leos Blase jedoch auf eine Zerreissprobe.

Leaving on a jetplane

Valerie hat uns gut zum Bill and Hillary Clinton National Airport in Little Rock gebracht und sich tränenreich von uns verabschiedet. Die Dame beim check-in nimmt es sehr genau und wollte uns keinen Koffer mit mehr als 50 Pfund durchgehen lassen, wir mussten also etwas umpacken, aber es hat alles gut geklappt. Jetzt warten wir auf das Boarding.

Hauptstadtluft

Nach den langen Tagen am Wochenende gehen wir es heute mal wieder gemütlich an, Valerie muss vormittags sowieso arbeiten. So bleibt Zeit zum Fotos sortieren, Wäsche waschen, und vor allem die schon bedenklich gefüllten Koffer flugtauglich umzupacken. Gegen Mittag kommt unsere Gastgeberin heim, und wir brechen in die Landeshauptstadt Little Rock auf. Erster Halt ist das William J. Clinton Presidential Center, vor dessen Türen wir am Samstag abend schon standen. Die animatronischen Dinosaurier spielen nur eine kleine Nebenrolle, im Wesentlichen ist das sehr große Gebäude dem Wirken des 42. Präsidenten gewidmet. Ähnlich wie bei Elvis werden auch hier nur Bills positive Seiten dargestellt: Als Junge vom Land, der sich, geprägt von den egalitären Prinzipien seines Großvaters, schon früh für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat. In einem Film gibt er auch Anekdoten zum besten; als er der jüngste Ex-Governor wurde, fehlten ihm unter anderem einige Stimmen einer Familie, die wegen der Anhebung der Automobilsteuer sauer war; sie würden aber nach seiner Absetzung dennoch wieder für ihn stimmen, jetzt wären sie ja quitt.
In harten Zahlen ausgedrückt hat Clinton die Arbeitslosigkeit ebenso drastisch gesenkt wie die Industrie angekurbelt. Er hat Humor und ist ein Musterbeispiel des amerikanischen Traums, vom Dorfjungen aus dem Hinterland zum wichtigsten Mann der Welt zu werden. Ich glaube, dass sich die Kaffeetassen mit dem Slogan „I miss Bill“ besonders in den ersten Jahren nach seinen beiden Amtszeiten besonders gut verkauft haben.
Danach laufen wir durch die schön angelegten „Wetlands“-Grünanlagen zum River Market, einer Gegend, in der sich viele Kneipen, Büchereien und Kunsthandlungen befinden. In einer Galerie stellen verschiedene lokale Künstler ihre Werke aus, und ich bin schwer versucht, mir eine abstrakte Skulptur eines Mantarochens aus Aluminium zu kaufen – aufgrund der angespannten Gepäcksituation und einem negativen Bescheid meiner Kunstexpertin lasse ich’s dann aber doch bleiben. Leo findet Spinnen aus Glasperlen ganz toll, und erhält das Versprechen, sowas zuhause selbst zu basteln.

Continue reading „Hauptstadtluft“

Schräge Vögel

Verdammte Technik! (An Terrybobs Moonshine kann’s ja wohl nicht liegen, oder?) Wir hören den Wecker nicht und wachen eine Stunde zu spät auf. In nur 30 Minuten Kaffee machen, duschen (denn erst dann haben wir das Bewusstsein wiedererlangt), unser Gepäck organisieren, in den Pickup Truck laden (Leo fährt bis zu den Turners nochmal hintendrauf mit) und Buddys Haus aufräumen ist fast nicht zu schaffen, wir sind aber trotzdem um acht (statt wie geplant 7:30) unterwegs. Von TeJuana, Frankie und Jasper haben wir uns auch schon verabschiedet.
Wir fahren nach Graceland, Elvis Presleys Heim in Memphis, Tennessee. Die Tour ist über die Maßen gut konzipiert: Jeder bekommt ein Tablet und Kopfhörer, der Audioguide ist mit zusätzlichen Bildern oder Filmen gespickt. Man kann die Führung, die es für Erwachsene und Kinder auf vielen verschiedenen Sprachen gibt, nach eigenem Gusto unterbrechen und ausgestalten. Auch das Timing ist gut: Trotz hoher Besucherzahl ist es kein Gedränge, und man kann in Ruhe fotografieren. Meine Fotoweste bewährt sich, Rucksäcke sind hier untersagt.
Das Haus überrascht auch: Man erwartet üppigen Protz und riesige Säle. Klein ist das Anwesen nicht gerade, aber es wirkt doch viel mehr wie ein normales Einfamilienhaus als das Heim eines durchgeknallten Megastars, wie man sie aus der MTV-Serie ‚Cribs‘ kennt. Der Stil der Einrichtung wird oft als kitschig und oberflächlich beschrieben, doch ich empfinde die Räume, mit den Augen der Sechziger und Siebziger gesehen, als sehr heimelig, eine echte Männerhöhle mit Billiardtisch, kleinen Bars in vielen Nischen, Heimkino und so fort. Auch der Swimmingpool ist kein Gewässer, auf dem man Seeschlachten nachstellen könnte, sondern eine bescheidene, nierenförmige Anlage. Selbst die Pferdeweide ist für den Mittelwesten nicht besonders groß, bei Turners haben die Tiere auch nicht weniger Auslauf. Ein bisschen schade finde ich aber, dass Elvis überall in Graceland nur von seiner Schokoladenseite gezeigt wird. Kein Wort über seine Scheidung 1972, und auf meine Frage nach dem pillenfutternden, aufgedunsenen Elvis antwortet Valerie ganz entsetzt, seine Familie würde ihn wohl kaum in seinem eigenen Haus entehren wollen, auch Anke sieht das so. Doch man kennt das Leben des King of Rock’n’Roll, und ich finde, dass man aufgrund seiner Großherzigkeit (Elvis war ein großer Wohltäter uns spendete enorme Summen) und seines freundlichen Wesens (seine Tochter und selbst seine Ex-Frau sprechen große Teile des Audioguides und sind voll des Lobes) auch die Schattenseiten seines Lebens zumindest im Vorübergehen erwähnen und auch recht einfach rechtfertigen könnte. Geschadet hat er ja – im Gegensatz zu anderen Popstars – im Wesentlichen nur sich selbst. Dem Historiker stößt einseitige Berichterstattung eben auf, tut mir leid.

Continue reading „Schräge Vögel“

Lazy Sunday Afternoon

Hurra, wir dürfen ausschlafen – soweit man das zu dritt in einem „Queen Size“-Bett behaupten kann, aber Leo mag lieber bei uns nächtigen. Im Laufe des Vormittags brechen wir von Clarendon nach Piggott auf, Frankie hat wie versprochen seinen „Cajun Cooker“ angeschmissen. Der Grill funktioniert eher wie ein Ofen: In einer mit Alublechen ausgekleideten Holzkiste liegen dicke Schweinekoteletts auf einem mit Alufolie geschützten Grillrost. Etwa 50 Zentimeter höher liegt eine massive Stahlwanne, in der Grillbriketts vor sich hinglühen. In gut zwei Stunden ist das Grillgut, in das Frankie mit einer medizinischen Spritze seine Geheimzutat injiziert hat, gar. Wir vertreiben uns die Zeit mit Luftgewehrschießen – Valerie ist eine sehr gute und vor allem auf Sicherheit bedachte Lehrerin für Leo, was nicht verwunderlich ist, denn Schießsport ist Teil ihres Berufs bei „4H“ – und Go-Kart-Fahren, wobei Leo nun die Gelegenheit hat, Beifahrerin Valerie mit seinen Künsten zu Tode zu erschrecken. Die Haywoods sind auch da, die Jungs spielen miteinander, die „Alten“ sitzen vor dem Haus, trinken Bierchen und unterhalten sich prächtig. Randy schaut vorbei und beschenkt uns mit Cowboyhüten aus Reisstroh, eine schöne Erinnerung an den letzten Urlaub hier.

Das Essen ist wie immer hier vorzüglich; Valerie hat noch eine Limonen-Eischnee-Torte zum Nachtisch gezaubert.

Continue reading „Lazy Sunday Afternoon“

Welcome to Delight

Boy oh boy, wieder so früh raus: Es geht um 7 a.m. zum Schürfen in das einzige Diamantengebiet Nordamerikas. In einem alten Vulkankrater haben sich die Edelsteine gebildet und liegen oft einfach so an der Oberfläche herum. Auf dem Weg dorthin halten wir kurz vor dem Örtchen Delight für einen Fahrerwechsel: Ich darf in Valeries Spaßauto, einem schneeweißen Pontiac Solstice V6 Cabrio, auf den linken der beiden Sitze, dazu kommt das hellgraue Stoffverdeck in den Kofferraum. Dann gehört mir die schmale Landstraße, die sich malerisch durch die Wälder schlängelt, ganz allein, und Valerie legt ihren „Top-Down-Song“ ein: „Fastest Girl in Town“. Könnte sie mit dem Solstice sicher auch sein, wenn sie sich jenseits der 3000 Umdrehungen trauen würde, aber das killt angeblich die amerikanischen Motoren. OK, der V6 hat auch so genügend Wumms. „Welcome to Delight“, steht auf einem Ortsschild, wie treffend.
Wir kommen am Crater of Diamonds State Park in der Nähe von Murfreesboro an und leihen uns die nötige Ausrüstung: Große und kleine Schaufeln sowie Holzkästensiebe mit groben und feinen Metallnetzen. Der Krater ist nicht mehr so genau zu erkennen, aber eine große Fläche wurde grob gepflügt, um den Boden freizulegen. Auf dem riesigen Gelände verteilen sich einige Dutzend Besucher sehr gut.
Gesucht wird entweder „trocken“, also einfach durch Herumlaufen und genau hinsehen oder Sieben der obersten Erdschicht, oder „nass“, wofür etwas tiefer gegraben und das Erdreich dann in dafür vorgesehenen Wasserbecken gründlich gesiebt wird. In mehreren Stunden finden wir alle möglichen interessanten Steine, leider aber keine Diamanten. Kein Wunder: Fast alle wertvollen Steine sind kleiner als ein Streichholzkopf, dagegen mutet die Suche nach der Nadel im Heuhaufen nach einer Aufwärmübung an. Außerdem werden 600 Diamanten pro Jahr gefunden, also deutlich weniger als zwei pro Tag. Macht aber nichts, wir haben trotzdem Spaß an der Buddelei.
Ein herzhaftes Mittagessen gibt’s im „Rattler’s Den“, dem Klapperschlangennest. Dorthin darf Anke den offenen Solstice mit großem Vergnügen fahren.
Weiter nach Hot Springs, einem ehemals grandiosen Kurort, der auch heute noch sehr hübsch und lebendig ist, aber nicht mehr wie früher die politische, wirtschaftliche, sportliche und auch kriminelle Elite des Landes anzieht. Kaum ein Präsident, Industriekapitän, Baseballprofi oder Mafioso, der sich hier nicht die Ehre gegeben hätte. Anziehungspunkt sind die (Achtung, Riesenüberraschung:) heißen Quellen, die hier mit 62 Grad Celsius aus dem Boden sprudeln. In der Stadt gibt es Trinkbrunnen und Springbrunnen, die mit dem Heilwasser beschickt werden und selbst in der Augusthitze sichtbar vor sich hindampfen. Das Wasser kann man selbst frisch aus der Leitung, also heiß, trinken, es hat einen wunderbar reinen, frischen Geschmack. Besucher aus Nah und Fern füllen sich diese Gabe der Natur kanisterweise zum heimischen Verbrauch ab.
Entlang der Hauptstraße diverse Kurbäder und Hotels oft nach dem Vorbild der europäischen Belle Époque. Eines der Bäder ist heute noch in Betrieb, ein Bad kostet 33 Dollar, mit Massage 74. Die weiteren Gebäude gehören den „State Parks“ und werden von freundlichen Rangern betrieben, die in ihren wildnistauglichen Uniformen (siehe Yogi-Bär) in den edlen Prunkbauten fast schon deplaziert wirken. Leo kauft sich gleich eine Junior-Ranger-Weste mit wohl 47 Taschen im selben Look.
Hot Springs erinnert heute sehr an britische Seebäder: Es gibt Amüsement am laufenden Band; 4D-Kinos, Wachsfigurenkabinette, kostenlose Weinproben, Antiquitätenläden, Sehen und Gesehen werden auf der Hauptstraße und freundliche Spinner, die einen zum rechten, also ihrem eigenen, Glauben bekehren wollen. Es macht einfach Spaß, nur durch das Städtchen zu schlendern. Wie das wohl hier vor 100 Jahren war? Vermutlich eine Kreuzung aus Broadway, Las Vegas und den Hamptons.
Das Abendessen genießen wir im Cracker Barrel Old Country Store, wo es den ganzen Tag Frühstück gibt, was

Continue reading „Welcome to Delight“

Down South

Uiuiui, 6 a.m. ist ganz schön früh. Doch wir müssen zeitig aufstehen, um pünktlich in Paragould zu sein; Michael lässt sich seine Zahnspange nachziehen, Leo spielt derweil mit der XBox im Wartezimmer. Dann gibt’s ganz frische Donuts und Kaffee bei Haywoods zuhause, bevor wir gemeinsam mit TeJuana, Michael und Joseph weiter Richtung Süden fahren. Auf dem Programm steht zunächst das staatliche Crowley’s Ridge Nature Center in Jonesboro. Außergewöhnlich ist, dass hier der Tierschutz und die Jagd gleichermaßen positiv behandelt werden. Im Gebäude gibt es zuerst einen 4D-Film über die Entstehung der Crowley’s Ridge, einer Hügelkette, die sich als geologische Ausnahmeerscheinung (Gletscher, Flüsse, Sedimente und Winderosion sei Dank) in Nord-Süd-Richtung durch Arkansas zieht. In Terrarien und Aquarien finden sich diverse Schlangen, Frösche, Alligatoren und andere Reptilien sowie Fische – allesamt heimisch in unserem Gastgeberstaat. Dazu kommen Dutzende ausgestopfter Tiere. Wir lernen dabei, warum der Dollar den Spitznamen „Buck“ trägt, also die Bezeichnung männlicher Hirsche: Früher wurden hier Hirschhäute als Parallelwährung gehandelt.
Draußen führt ein Holzpfad auf Stelzen durch ein idyllisches Sumpfgebiet, und wenn man genau hinschaut, erkennt man auch kleine Schildkröten im Wasser.
Mittagessen nehmen wir bei Sam’s Club ein. Was klingt wie eine verrauchte Kneipe ist tatsächlich ein gigantischer Discountsupermarkt (erinnert an Metro), für den eine Mitgliedschaft notwendig ist, und der sich vor allem durch die Ausgabe von free samples, Gratisproben frisch zubereiteter Lebensmittel auszeichnet. Es gibt aber auch einen Imbiss, und wir genehmigen uns im Vorgriff auf den teutonischen Nachmittag einen Hot Dog mit Sauerkraut hiesigen Anbaus – siehe www.sauerkraut.com.

Wir holen Valerie aus ihrem Büro in Clarendon ab, dann geht’s vorbei an gigantischen Reistrocknern und -lagern (Arkansas ist der größte Reisproduzent der USA und weltweit auf Platz 3, verrät man uns) und durch Städtchen wie Ulm (das ganze 205 Einwohner zählt) nach Stuttgart, AR, Population 9326. Das Städtchen feiert jährlich im April ein German Heritage Festival, man ist sehr stolz auf die deutschen Vorfahren.

Continue reading „Down South“

Hook, Line and Sinker im Wald

Eine Hand wäscht die andere: Um neun Uhr fahre ich zu Jo Nell, um ihren Laptop, ihr WLAN und ihren Drucker in Ordnung zu bringen. Auf dem Weg hole ich mittels Kreditkarte und Pin-Nummer Geld aus dem Automaten. TeJuanas Bank kennt zwar Euro (tadah!), müsste sie aber zum Wechseln einschicken, keine Ahnung, wie lange das dauert, hat hier noch nie jemand gemacht.
Bei Jo Nell ist einiges zu tun, auf ihrem Rechner findet man mehr Viren als im Tropeninstitut. Anke zieht derweil mit TeJuana durch die Flea Markets in Piggott, nachdem sie die gestern erstandene Kleidung gewaschen hat.
Dann gibt’s zum späten Mittagessen Minestrone mit Fleischeinlage, danach fährt uns Jo Nell zur Shopping-Zugabe zu „Goody’s“ (wo sie arbeitet, die Ketten gehören zusammen) im uns schon recht gut bekannten Kennett. Leo darf derweil mit Jo Nells etwa gleichaltrigen Großnichte Belle spielen, die zunächst recht schüchtern ist, doch Leo gelingt es, sie bald aufzutauen.
Dann fahren wir mit TeJuana und Frankie nach Paragould, um mit Ashley, Andy und den Jungs angeln zu gehen. (Die Großeltern besuchen derweil einen Schwager im dortigen Krankenhaus.) In den Wäldern zwischen Paragould und Beech Grove wohnt ein weiterer Freund der Familie, der sich auf Autolackierungen und Tuning spezialisiert hat. Nachdem er in mir einen ähnlich gesinnten „Gear Head“ erkannt hat, zeigt er mir sein Schätzchen, ein goldorange lackiertes Custom Car, dessen Bestandteile aus den 50er Jahren stammen. Er hat sich wirklich Mühe gegeben, das Dach um 30 Zentimeter nach unten verlegt, Türgriffe verschwinden lassen (die Türen öffnen nur noch per Fernbedienung), Heckleuchten im Flammenstil angebracht und, und, und. Doch eigentlich sind wir wegen der Fische in seinem Weiher gekommen; wir wollen „Bass“ angeln – leider mit wenig Erfolg, heute wollen die sonst recht suizidalen Viecher nicht wirklich. Den ersten ziehe ich an Land, der Bursche misst aber gerade mal 20 Zentimeter und darf deshalb wieder ins Wasser zurück. Kurz darauf gehen Michael zwei ähnliche Zwerge an den Haken. Ashley hätte beinahe einen richtig großen gehabt, aber der Knoten ist wohl gerissen. Umso besser, wir sind ganz froh, dass uns das Ausweiden zu beobachten erspart bleibt.

Continue reading „Hook, Line and Sinker im Wald“